Elisabeth Gabriele Valérie Marie
Herzogin in Bayern (* 25.
Juli 1876 in Possenhofen am Starnberger
See; † 23. November 1965 in Brüssel, Belgien) war die Frau des belgischen
Königs Albert I. und die Mutter des späteren belgischen
Königs Leopold III. Sie trat auch als Patronin der Musik
und Künste sowie durch ihre karitativen Tätigkeiten hervor. Als Elisabethville trug Lubumbashi bis 1966 ihren Namen. Der Concours Musical Reine Elisabeth ist nach ihr benannt.
Die 1876 im Schloss
Possenhofen geborene Elisabeth
war eine Prinzessin aus der herzoglichen Nebenlinie Zweibrücken-Birkenfeld-Gelnhausen des Hauses Wittelsbach. Sie war die zweite
Tochter von Carl Theodor Herzog
in Bayern und seiner Frau, der
Infantin Maria Josepha von
Portugal. Benannt wurde sie nach ihrer Tante väterlicherseits, der
österreichischen Kaiserin Elisabeth.
Die Prinzessin wuchs zusammen mit ihren Geschwistern sehr
schlicht im Schloss Possenhofen unter dem Einfluss ihres hochintellektuellen
und karitativ sehr engagierten Vaters auf, der sich als anerkannter Augenarzt
einen Namen gemacht hatte. Herzog Carl Theodor gestand der
Persönlichkeitsentfaltung seiner Kinder großen Raum zu und prägte ihnen Gespür
für ihre Verantwortung für Arme und Schwache ein. Er pflegte ferner den
künstlerischen Geschmack seiner Familie und förderte etwa die musikalischen
Interessen seiner ihm besonders eng verbundenen Tochter Elisabeth, wobei sie
insbesondere im Geigen- und Klavierspiel eine große Fertigkeit erlangte. Auch
in der Bildhauerei sollte sie einiges Geschick beweisen. Neben Deutsch sprach
sie auch Französisch und Englisch. Sie arbeitete im Spital ihres Vaters,
studierte Krankenpflege und entwickelte religiöse Überzeugungen, die mit der
Lehre der katholischen Kirche konform gingen.
Ihren künftigen Gemahl, den um ein Jahr älteren Prinzen Albert von Belgien, lernte Elisabeth
im Mai 1897 in Paris beim Begräbnis ihrer bei einer
Brandkatastrophe ums Leben gekommenen Tante Sophie,
Herzogin von Alençon, kennen. Albert, zweiter Sohn von Prinz Philipp, Graf von Flandern, und
dessen Gemahlin Maria Luise von
Hohenzollern-Sigmaringen, war präsumtiver Thronerbe Belgiens, das von seinem
unbeliebten Onkel Leopold II. autokratisch regiert wurde. In der
Folge begegneten sich Elisabeth und Albert, die einander sehr sympathisch
fanden, bei Alberts Schwester Henriette,
Herzogin von Vendôme, wieder, ferner beim Herzog von Alençon sowie bei
Elisabeths Tante Marie, der
ehemaligen Kurzzeit-Königin beider Sizilien. Im September 1898 nahmen die
beiden jungen Leute in Wien an der Beisetzung der ermordeten
österreichischen Kaiserin Elisabeth teil. Ihre gegenseitige Zuneigung hatte
sich vertieft. Das Paar konnte nach seiner Verlobung zu Neuilly auch seine am 2. Oktober 1900 in der
Kathedrale von München erfolgte Liebeshochzeit durchsetzen.
Einige Tage nach ihrer Heirat wurden Elisabeth und Albert in
Belgien begeistert empfangen und begaben sich anschließend auf ihre
Hochzeitsreise nach Italien. Daraufhin wohnte die 24-jährige Prinzessin mit
ihrem Gemahl zunächst im Palast ihrer Schwiegereltern in der Rue de la Régence
in Brüssel, reiste dann aber zur Wahrung eines selbstbestimmten Privatlebens
Anfang 1901 mit Albert an die Côte
d’Azur und hielt sich im
folgenden Sommer längere Zeit in ihrer Heimat Possenhofen auf. Ende September
1901 zog sie in Brüssel in das eben fertiggestellte Hôtel d’Assche.
Aus der Ehe des Prinzenpaars, die als sehr liebevoll galt,
gingen drei Kinder hervor:
·
Prinz Leopold (* 3. November 1901; † 25. September
1983), Herzog von Brabant, als Leopold III. von 1934 bis 1951 König der Belgier
·
Prinz Karl (* 10. Oktober 1903; † 1. Juni 1983), Graf von Flandern, Prinz von Belgien
·
Prinzessin Marie-José (* 4. August 1906; † 27. Januar 2001),
Prinzessin von Belgien, ∞ 1930 König Umberto II. von Italien
Elisabeth zeigte sich an den Sorgen bedürftiger und kranker Belgier
interessiert, lernte die Verhältnisse in Brüsseler Spitälern und Waisenhäusern
genau kennen und förderte insbesondere die Bekämpfung der Tuberkulose. Schon vor ihrem
Herrschaftsantritt genoss sie mit ihrem Gatten, auch aufgrund ihres
bescheidenen und harmonischen Familienlebens sowie ihres für die damalige Zeit
sehr egalitären Verhaltens, große Popularität im Volk.
Auf dem Gebiet der Schönen Künste widmete Elisabeth insbesondere
der Musik große Aufmerksamkeit. Sie spielte täglich stundenlang Geige, wobei
sie Eugène Ysaÿe zum Lehrer hatte, und war eine eifrige
Anhängerin Richard Wagners,
wohnte aber bei ihren Besuchen im Monnaie-Theater auch Aufführungen von Opern von Georges Bizet, Claude Debussy und anderen französischen Komponisten
bei. Mit dem belgischen Dichter Émile
Verhaeren war sie seit einem
Treffen am 4. Juni 1908 in Ostende befreundet. Sie ließ auch den
belgischen Maler Eugène Laermans,
als dieser zu erblinden drohte, bestmöglich medizinisch behandeln.
Nachdem Leopold II. am 17. Dezember 1909 nach 44-jähriger Regierung
verstorben war, leistete sechs Tage später sein Neffe Albert den Eid auf
die belgische Verfassung und wurde als Albert I. zum neuen
König ausgerufen. Seine Gattin Elisabeth wurde somit belgische Königin.
Nach der Vereidigungszeremonie feierten zahlreiche Menschen das
neue Herrscherpaar in Brüssel enthusiastisch. In der Folge führte es die
Regierung mit einem besonderen Augenmerk auf soziale Verantwortung. Im November
1910 zog sich Elisabeth eine schwere Rippenfellentzündung zu, die erst im Februar 1911
auskuriert war, wozu auch ein Ägypten-Aufenthalt beitrug.
Bei Ausbruch des Ersten
Weltkriegs musste die Königin
einen durch die militärische Auseinandersetzung ihres ehemaligen Vaterlandes
und ihres nunmehrigen Volks bewirkten seelischen Konflikt durchleben. In der
Folge handelte sie ganz im Interesse Belgiens und brach die Beziehungen zu
ihrer Familie in Bayern ab. Mit ihren perfekten Deutschkenntnissen hatte sie
ihrem Gemahl am 1. August 1914 bei der Abfassung eines persönlichen Briefes an
Kaiser Wilhelm II. geholfen, in dem Albert, allerdings
vergeblich, um Achtung der belgischen Neutralität gebeten hatte. Belgien
widersetzte sich dann dem deutschen Einmarsch im August 1914. Elisabeth trug
dazu bei, dass verwundete belgische Soldaten im zum Lazarett umfunktionierten
Königspalast verarztet werden konnten. Erst bei der Ankunft deutscher Truppen
vor Brüssel schloss sie sich den zurückweichenden belgischen Streitkräften an.
Sie brachte ihre drei jungen Kinder in das sichere England, und zwar ins
Hackwood House zum britischen Staatsmann Lord
Curzon. In Antwerpen traf sie
anschließend Winston Churchill.
Am 7. Oktober 1914 befahl der König den Rückzug seiner Armee. Es
gelang den Belgiern, u. a. durch die Überflutung des Yser-Tals, ein kleines Stück ihres
Territoriums gegenüber den Deutschen dauerhaft zu behaupten. In der auf diesem
Gebiet an der Kanalküste gelegenen Gemeinde La
Panne, unweit der Front, lebten Elisabeth und Albert ab dem Zeitpunkt ihrer
Ankunft, dem 13. Oktober 1914, vier Jahre lang. Die Königin half bei der Lösung
des dringenden Problems, die medizinische Versorgung der zahlreichen
Verwundeten zu organisieren. In Zusammenarbeit mit dem Chirurgen Antoine Depage richtete sie im Dezember 1914 in La
Panne ein Feldlazarett, das hôpital de
l'Océan, ein, dessen Betrieb sie dem belgischen Roten Kreuz unterstellte
und wo sie bisweilen – dem sich rasch bildenden Mythos der Reine-infirmière
nach freilich unzählige Stunden lang – verletzte Soldaten betreute.
Elisabeth gründete auch das Sinfonieorchester der belgischen
Armee und sorgte für die Ausstattung der Soldaten mit warmer Kleidung und
Schuhwerk. Vielen Belgiern erschien sie als Seele des Widerstandes gegen die
Fremdokkupation. Literaten und Musiker wie Eugène Ysaÿe, Émile Verhaeren, Pierre Loti und Camille
Saint-Saëns besuchten sie in La
Panne, ebenso der französische Staatspräsident Raymond Poincaré. Im Auftrag ihres
Gatten übernahm sie heikle Missionen; und wenn sie sich öfters zu einem Treffen
mit ihren Kindern in England aufhielt, erforschte sie Absichten der britischen
Regierung für die weitere Kriegsführung. Albert nutzte ihre familiären Bande,
etwa die Vermittlung von Hans
Veit zu Toerring-Jettenbach, für die Aufnahme von heimlichen, aber letztlich
vergeblichen Friedensverhandlungen mit Deutschland.
Im April 1918 übermittelte Elisabeth Lord Curzon den Entschluss
ihres Gatten, der deutschen Großoffensive auf jeden Fall vor Ort zu trotzen,
und erhielt von der britischen Führung die Versicherung, dass deren
Streitkräfte die belgische Küste weiterhin verteidigen und sich nicht hinter
die Somme zurückziehen würden. Im weiteren
Jahresverlauf gewannen die Alliierten die Oberhand. Nach dem Abzug der
Deutschen und dem Kriegsende hielt das Königspaar mit seinen Söhnen Leopold und
Karl am 22. November 1918 seinen umjubelten Einzug in Brüssel, wobei die
offenbar überwältigte Elisabeth auf einem großen weißen Pferd ritt. Da die
Rückeroberung des Landes aber sehr blutig verlaufen war, bemühte sich Elisabeth
nun u. a., die für den weiteren Betrieb der zahlreichen während des Kriegs im
besetzten Belgien gegründeten Ambulanzen notwendigen finanziellen Mittel
aufzutreiben. Auch hielt sie die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Roten
Kreuz aufrecht.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs statteten viele Politiker
Brüssel eine offizielle Visite ab. Umgekehrt begab sich Elisabeth nun zusammen
mit Albert oder allein öfters auf Auslandsreisen. So machte das belgische
Herrscherpaar gemeinsam mit seinem ältesten Sohn, dem Kronprinzen Leopold, vom
23. September bis 13. November 1919 einen Staatsbesuch in den Vereinigten Staaten, traf Präsident Woodrow Wilson im Weißen
Haus und bereiste das historische Isleta Pueblo in New
Mexico. Gemäß einem auf dieser Tour kennengelernten Vorbild ließ Elisabeth im
Park von Laeken ein Gartentheater
anlegen.
Elisabeth im Kongo |
Fast täglich übte Elisabeth nun wieder auf der Geige, die sie
mittlerweile sehr gut beherrschte. So spielte sie etwa ein Violinduo mit Yehudi Menuhin. Vor allem aber
kümmerte sie sich um ihre Kinder, setzte kulturelle Akzente und unternahm
karitative Aktivitäten, indem sie etwa Kriegsopfer wie Versehrte, Witwen und
Waisen unterstützte. Mit ihrem Gatten leitete sie die Eröffnung der auf
Initiative des mit der Königsfamilie eng befreundeten Kunst- und
Wissenschaftsministers Jules
Destrée 1920 gegründeten Académie
royale de Langue et de Littérature française de Belgique (Königliche Akademie für französische
Sprache und Literatur von Belgien). Sie fühlte sich noch immer eher zur älteren
Künstlergeneration hingezogen; mit der jüngeren nahm sie erst später Fühlung
auf. Zur Wiederbelebung des belgischen Musiklebens bediente sie sich u. a. des
Rats von Eugène Ysaÿe, Camille Saint-Saëns, Gabriel
Fauré und Vincent d’Indy.
Elisabeth war die erste Frau, die am 10. Mai 1922 mit dem Nassauischen Hausorden vom Goldenen
Löwen ausgezeichnet wurde.
Elisabeth und Queen Mary |
Vom rätselhaften alten Ägypten fasziniert wohnte sie im Februar
1923 der dortigen Freilegung des kurz zuvor entdeckten Grabes Tutanchamuns bei. Sie unterstützte den belgischen
Ägyptologen Jean Capart bei der Gründung der noch heute
existierenden Fondation
égyptologique Reine Élisabeth. 1925 nahmen Elisabeth und ihr Gatte die
Einladung des Gouverneurs von Bengalen, Lord
Lytton, zur Feier ihres silbernen Hochzeitsjubiläums an, wobei die
yogabegeisterte und vom spirituellen Leben des Orients angezogene belgische
Königin den bengalischen Dichter und Maler Rabindranath
Tagore besuchte. Im Juni und Juli
1928 absolvierte Elisabeth mit ihrem Gemahl eine ausgedehnte Reise durch die belgische Kolonie Kongo, suchte deren
Entwicklungszustand festzustellen und besuchte zahlreiche Spitäler. Sie war
dann maßgeblich an der Errichtung des 1930 durch königliches Dekret gegründeten Fonds
Reine Élisabeth pour l’Assistance Médicale aux Indigènes du Congo Belge (FOREAMI) zur medizinischen Versorgung
der indigenen Bevölkerung Kongos beteiligt.
Die Königin informierte sich auch über neue wissenschaftliche
Entdeckungen, besuchte mit ihrem Gatten Laboratorien und traf Spitzenforscher
wie Marie Curie und Albert Einstein. Die zuständigen
Politiker überzeugte sie ferner davon, in der belgischen Hauptstadt ein
würdiges Kulturzentrum, das Palais
des Beaux-Arts de Bruxelles, zu erbauen. Dieses vom Architekten Victor Horta geplante Bauwerk wurde 1929 eröffnet.
König Albert I. starb am 17. Februar 1934 bei einem Bergunfall
in Marche-les-Dames im belgischen Ardennengebiet bei Namur.
Sein Tod löste bei Elisabeth eine tiefe Depression aus. Sie trauerte auch ihrer
nun zu Ende gegangenen Herrschaft als Königin nach. Schwer traf sie außerdem
der zur Zeit der Weltausstellung
in Brüssel am 29. August 1935
erfolgte Tod ihrer Schwiegertochter Astrid,
die mit ihrem ältesten Sohn und nunmehrigen König Leopold III. verheiratet
gewesen war und durch einen Autounfall bei Küssnacht
am Rigi ihr Leben verlor.
Von den erwähnten Schicksalsschlägen erholte sich Elisabeth
langsam während eines längeren Aufenthaltes in Neapel, wo ihre Tochter Marie José als
Kronprinzessin Italiens lebte. In Belgien nahm Elisabeth nach Astrids Tod de
facto wieder die Position der Königin ein und hatte nun auch die Mutterrolle
für die drei kleinen Kinder der Verstorbenen – Joséphine Charlotte, Baudouin und Albert – zu übernehmen.
1936 unterstützte Elisabeth die Gründung des belgischen Nationalorchesters.
Am 14 .September 1936 besuchte sie den von ihr sehr geschätzten
französischen Schriftsteller Romain
Rolland in Vézelay, wo sie ihn erneut am 11. März
1942 mitten im Zweiten Weltkrieg treffen sollte. 1937 realisierte sie eine Idee
ihres langjährigen Freundes, des Geigers Eugène Ysaÿe, und initiierte einen
zunächst nach diesem, dann seit 1951 nach ihr benannten internationalen
Musikwettbewerb, den Concours
Musical Reine Elisabeth, auf dem Nachwuchskünstler auch heute noch eine Bühne
zur Präsentation ihrer Talente erhalten. Bei einer Sondergalavorstellung sah
Elisabeth 1937 dem Vortrag des ersten Wettbewerbsgewinners, des sowjetischen
Geigers David Fjodorowitsch
Oistrach, zu. 1939 gründete sie die Chapelle
musicale Reine Élisabeth auf
einem vom Baron Paul de Launoit angebotenen Gelände in Argenteuil.
Am 10. Mai 1940, während der Anfangszeit des Zweiten Weltkriegs, fielen zum zweiten
Mal im 20. Jahrhundert deutsche Truppen in Belgien ein. Elisabeth begab sich
nach La Panne und kümmerte sich mehrere Tage um die Lazarette. Am 25. Mai
erfuhr sie im Schloss Wijnendale von der dramatischen Unterredung
Leopolds III. mit seinen Ministern, die den König vergeblich gedrängt hatten,
gemeinsam mit der belgischen Regierung ins Exil zu gehen. Vielmehr blieb
Leopold III. bei seinen Truppen und kapitulierte mit ihnen bereits am 28. Mai.
Elisabeth, die sich vom 27. bis zum 29. Mai in Brügge aufhielt, vernahm den von Paul Reynaud via Rundfunk erhobenen Vorwurf, dass
der belgische König mit diesem Schritt Verrat begangen habe, woraufhin sie dem
französischen Premierminister einen empörten Brief schrieb. Mit ihrer Familie
lebte sie dann unter deutscher Bewachung zurückgezogen im Schloss Laeken nördlich von Brüssel. Sie wurde aber
nicht so streng wie Leopold III. im Auge behalten und durfte etwa Freunde oder
Spitäler besuchen.
Aufgrund ihrer deutschen Abstammung fiel es Elisabeth nämlich
leichter als den meisten Belgiern, mit hohen Repräsentanten der Besatzungsmacht
zu verkehren, die teilweise auf eventuell bei ihr noch vorhandene deutsche
Sympathien hofften. Die Königinwitwe war jedoch eine strikte Gegnerin des Nationalsozialismus und suchte ihre Position zur Linderung
des Loses vieler Menschen zu nutzen, indem sie etwa für die Rückführung kranker
Kriegsgefangener oder die Begnadigung zum Tode Verurteilter intervenierte.
Durch geschickte Verhandlungen gelang ihr ferner die Rettung belgischer Juden.
So konnte sie durch ihre Vermittlung etwa das Leben hunderter jüdischer Kinder
bewahren, die in Klöstern, Waisenhäusern und Bauernhöfen Zuflucht fanden. Für
ihr Engagement wurde sie später von der israelischen Regierung mit dem
Ehrentitel Gerechte unter den
Völkern ausgezeichnet.
Nach der im Juni 1944 erfolgten Deportation Leopolds III.,
seiner zweiten Gattin Lilian
Baels und der vier königlichen
Kinder nach Deutschland befand sich Elisabeth allein in Laeken und wurde seit
der Ersetzung des deutschen Militärgouverneurs in Belgien, Alexander von Falkenhausen, durch den
Reichskommissar Josef Grohé (Juli
1944) scharf bewacht. Doch schon am 3. September eroberten die Alliierten
Brüssel. Elisabeth empfing den britischen General Brian G. Horrocks im Schloss Laeken und erlaubte, dass
dieses von seinen Soldaten, dem XXX.
Korps, als Hauptquartier benutzt wurde. Im Dezember 1944 trug sie zur
Organisation der Versorgung der zu Tausenden vor der deutschen
Ardennenoffensive Geflüchteten mit Lebensmitteln und Kleidern bei. Im Mai 1945
kapitulierte Deutschland schließlich und Leopold III. sowie seine Familie
wurden befreit, woraufhin Elisabeth mit ihnen noch im gleichen Monat eine Woche
im Weißen Rössl in St.
Wolfgang im Salzkammergut verbrachte.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstand ein heftiger
Konflikt zwischen den verschiedensprachigen Teilen Belgiens, wie mit König
Leopold III. zu verfahren sei. Ihm wurde u. a. seine seinerzeitige Weigerung,
mit seinen Ministern ins Exil zu gehen, zur Last gelegt. Die Flamen waren
mehrheitlich für eine Rückkehr Leopolds, die Wallonen dagegen. Leopold lebte
einstweilen mit seiner Familie in der Schweiz. Dort besuchte Elisabeth zwar
ihren Sohn nicht, hielt mit ihm aber regelmäßigen Briefkontakt. Sie nahm auch
repräsentative Aufgaben wie den Empfang von hochrangigen Persönlichkeiten der
Alliierten in Brüssel oder von in Belgien akkreditierten Botschaftern wahr.
Nachdem sich in einer Volksbefragung fast 58 % für eine Rückkehr des
Königs ausgesprochen hatten, erfolgte diese Ende Juli 1950. Elisabeth empfing
Leopold und dessen Söhne Baudouin und Albert im Schloss Laeken. Wegen
gewalttätiger Proteste gegen seine Rückkehr und zur Wahrung der Einheit des Landes
entschloss sich Leopold III. aber schon am 1. August 1950 zur Abdankung
zugunsten seines ältesten Sohns Baudouin, die dann am 16. Juli 1951 in Kraft
trat. Elisabeth stand aber weiter über dem Parteienstreit und blieb ein
einheitsstiftendes Symbol Belgiens.
Seit Leopolds Thronverzicht residierte Elisabeth zeitweise in
Schloss Laeken, meist aber auf ihrem Schloss
Stuyvenberg und befand sich
häufig auf Auslandsreisen. Sie widmete sich wieder der Musik, wurde 1953 zum
Ehrenmitglied der Académie royale des Sciences, des
Lettres et des Beaux-Arts de Belgique gekürt,
besuchte Büchertage in Brüssel und Antwerpen, wohnte Theateraufführungen bei
und nahm an Kunstausstellungen teil. 1951–1964 schaute sie den
Vorausscheidungsrunden sowie von der königlichen Loge des Palais des Beaux-Arts
de Bruxelles aus dem Finale des nach der Unterbrechung durch den Zweiten
Weltkrieg seit 1951 wieder jährlich veranstalteten Concours Musical Reine
Elisabeth zu.
Elisabeth war mit etlichen französischen Schriftstellern
befreundet. Außer dem bereits erwähnten, Ende 1944 verstorbenen Romain Rolland
gehörten zu diesen auch Jean
Cocteau, den die Königinwitwe letztmals 1962 in der Kapelle von Villefranche
sah, sowie Colette, mit der Elisabeth 18 Jahre lang neben persönlichen Treffen
auch einen Briefwechsel führte.
Kontakte pflegte Elisabeth auch zu bedeutenden Wissenschaftlern
wie Albert Einstein, den sie 1927
auf der fünften Solvay-Konferenz in Brüssel kennengelernt hatte.
Seither hatte der Spitzenphysiker, wenn er sich auf der Durchreise durch
Belgien befand, öfters Laeken besucht, um mit Elisabeth zu plaudern und Geige
zu spielen. Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 lebte Einstein in den Vereinigten
Staaten und traf die belgische Königin nicht mehr persönlich, unterhielt mit
ihr aber bis zu seinem Tod 1955 eine ausgedehnte, auf Deutsch verfasste
Korrespondenz, die sich vor allem um die Themen Musik und Frieden drehte. Des
Weiteren stand Elisabeth in schriftlichen Kontakt mit Albert Schweitzer, der ihr von 1952
bis zu seinem Tod 1965 etwa 50 Briefe schrieb, in denen er über sein
anstrengendes medizinisches Wirken in Gabun sowie über seine Arbeiten als
Musikwissenschaftler, Philosoph und Pazifist berichtete.
Seitdem sowjetische Musiker Ende der 1930er Jahre Preise während
ihres Musikwettbewerbs gewonnen hatten, fühlte Elisabeth sich mit der Sowjetunion verbunden. Als überzeugte
Pazifistin befürwortete sie 1950 vehement den zum Verbot aller Nuklearwaffen
aufrufenden Stockholmer Appell,
während dieser aufgrund seiner maßgeblichen Unterstützung durch kommunistische
Länder in Zeiten des Kalten
Krieges in den westlichen Ländern
vielfach als kommunistische Propaganda abqualifiziert wurde.
Während des Kalten Krieges besuchte Elisabeth in den 1950er
Jahren – gegen den Willen der belgischen Regierung – kommunistische Länder;
deswegen wurde sie auch von einigen ihr gegenüber ablehnend eingestellten
Zeitungen als „Rote Königin“ tituliert. Sie trat auf diesen Reisen aber auch
für Frieden und Abrüstung ein. Große Beachtung fand dabei im März 1955 ihre Reise
zum Chopin-Musikwettbewerb nach Warschau,
die sie entgegen vielen politischen Bedenken unternahm. So hatte ihr etwa der
bedeutende belgische Staatsmann Paul-Henri
Spaak, freilich vergeblich, von der Fahrt hinter den Eisernen Vorhang abgeraten, da er einen Schaden für das
tadellose Image der Königin aufgrund zu erwartender polemischer Kommentare
befürchtete. Darüber hinaus hatte sie aus Bedacht um ihre Gesundheit erst kurz
zuvor nicht der Hochzeit ihrer Enkelin Maria
Pia in Portugal und dem Begräbnis
ihrer Kusine Clementine in Nizza beigewohnt.
Nach Belgisch-Kongo begab sich Elisabeth im Januar 1958, also
zwei Jahre bevor dieser Staat unabhängig wurde. Im März 1958 fuhr sie als
erstes Mitglied eines europäischen Königshauses seit der Ermordung der russischen
Zarenfamilie (1918) in die Sowjetunion, und zwar zum Tschaikowski-Wettbewerb nach Moskau.
Sie ließ sich mit dem Marschall Woroschilow vor einer Statue Lenins fotografieren und parlierte mit Chruschtschow. Ihr Auftreten rügten
belgische Zeitungen heftig. Auch ihre finanzielle Unterstützung der
belgisch-sowjetischen Freundschaftsgesellschaft versetzte viele Belgier in Wut.
Doch die Königinwitwe ließ sich von der massiven Kritik nicht beeindrucken und
änderte weder ihre politischen Ansichten noch ihre diesbezüglichen öffentlichen
Handlungen.
1959 hielt sich Elisabeth zwölf Tage in Israel auf, wobei sie einer Einladung der
Regierung dieses Landes folgte und von Präsident Jizchak Ben Zwi offiziell empfangen wurde. Sie war in
der Karwoche bei Gottesdiensten in der Grabeskirche anwesend und eröffnete ein ihren Namen
tragendes archäologisches Institut in Jerusalem. Als dann ihre beiden Enkel
Albert (II.) und Baudouin am 2. Juli 1959 bzw. am 15. Dezember 1960 Hochzeit
feierten, nahm die alte Dame an diesen beiden Ereignissen freudestrahlend teil.
Im September 1961 machte sich Elisabeth – trotz der Einwände der
Regierung ihres Landes – in Begleitung ihrer Tochter Marie-José auf den Weg in
die Volksrepublik China, welche Reise ihr schon lange ein Anliegen war. Bei einem
Zwischenstopp in Moskau wurde ihr zu Ehren ein Staatsbankett gegeben. Nach
ihrer Ankunft in China durchreiste sie nicht weniger als 3000 km dieses
ausgedehnten Staates, traf in Peking mit Regierungsmitgliedern zusammen und
führte ein zehnminütiges Gespräch mit Mao
Tse-tung, über dessen Inhalt sie nie etwas verlautbarte, sah sich aber u. a.
auch Spitäler und Schulen an. Anfang 1962 hatte sie im Vatikan eine lange
Unterhaltung mit Papst Johannes
XXIII. Im Mai 1962 hielt sie sich
wieder in Moskau auf, wo sie erneut beim Tschaikowski-Musikwettbewerb anwesend
war und sich lange mit Chruschtschow besprach, den sie anschließend lobte und
für einen friedensliebenden Staatsmann erklärte. Diese Aussage trug ihr
umgehende Pressekritik ein. Noch im gleichen Jahr besuchte sie Puerto Rico und die Vereinigten Staaten.
In ihren letzten Lebensdekaden unternahm Elisabeth u. a.
Yoga-Übungen sowie lange Spaziergänge und unterzog sich Kuren mit eiskalten
Bädern. Tatsächlich blieb sie bis ins hohe Alter relativ gesund. Ab 1964 ließ
ihre körperliche Kondition jedoch merklich nach. Zum Erstaunen ihrer Ärzte
erholte sie sich rasch von einem am 4. November 1965 erlittenen Herzanfall,
bekam aber bereits am 23. November 1965 eine zweite Herzattacke, der sie noch
am gleichen Tag um 21 Uhr im Alter von 89 Jahren in Schloss Stuyvenberg erlag.
Danach wurde eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Adlige aus ganz Europa,
aber auch tausende einfache Belgier nahmen an ihrem Begräbnis teil, das
Millionen ihrer Landsleute im Fernsehen verfolgten. Während der Totenmesse in
der Kathedrale St. Michael und St. Gudula fand
Kardinal Léon-Joseph Suenens für die verstorbene Königin würdigende
Worte. Sie wurde in der königlichen Gruft in der Liebfrauenkirche zu Laeken in Brüssel beigesetzt.
Quelle: Wikipedia
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